Vollwerternährung

In allererster Linie bezeichnet die Vollwerternährung ein Ernährungskonzept, bei dem frische und unbehandelte Nahrungsmittel sowie Vollkornprodukte im Fokus stehen. Entwickelt wurde dieses Konzept von Werner Kollath und Maximilian Bircher-Benner.

Grundsätze der Vollwert-Ernährung
  1. Genussvolle und bekömmliche Speisen
  2. Bevorzugung von pflanzlichen Lebensmitteln (was Fleisch dennoch nicht ausschließt)
  3. Bevorzugung von gering verarbeiteten Lebensmitteln - je frischer desto besser
  4. Ökologisch erzeugte Lebensmittel
  5. Hauptsächlich regionale und saisonale Erzeugnisse
  6. Umweltfreundlich verpackte Produkte
  7. Fair gehandelte Lebensmittel

1. Vollwertkost: Genussvoll und bekömmlich
Genuss steht in der Vollwert-Ernährung bewusst an erster Stelle. Denn Essen muss schmecken, das ist ganz klar. Unverfälschte und reife Lebensmittel sind die Basis eines köstlichen Essens. Naturbelassene Öle, ein gut gereifter Käse oder regionale Kartoffelsorten kommen problemlos ohne zusätzliche Geschmacksverstärker aus. Und wer unvoreingenommen beispielsweise in einen Haferburger beißt, wird feststellen, dass Körnerfutter eigentlich super lecker schmeckt. Denn Geschmack und Gesundheit müssen sich nicht ausschließen. Vielmehr bietet eine gesunde Lebensmittelauswahl neue, überraschende Geschmackserlebnisse. Probieren Sie doch einmal fast vergessene Gemüsearten wie weiße Rübchen oder Mangold aus.
Da nicht jeder alles mag und auch nicht alles verträgt, empfiehlt die Vollwert-Ernährung keine einzelnen Lebensmittel, sondern Lebensmittelgruppen. Wer beispielsweise Probleme mit Gurken oder Pilzen hat, sucht sich einfach aus der großen Gruppe der Gemüse etwas aus, das ihm bekommt. Und wer wegen einer Intoleranz oder Allergie keinen Weizen verträgt, dem stehen zahlreiche andere Getreidearten zur Auswahl. So kann jeder seinen individuellen Speiseplan zusammenstellen, der ihm schmeckt und gut bekommt. Gönnen Sie sich Zeit für Genuss. Dazu gehört Zeit für die sorgfältige Auswahl der Lebensmittel, Zeit für das Zubereiten eines leckeren Gerichtes und Zeit für ein gemeinsames Essen.


2. Vollwertkost: Überwiegend pflanzlich
Pflanzliche Lebensmittel sind aus vielerlei Gründen unschlagbar: Sie sind gesund, schonen das Klima und ermöglichen weltweit ausreichende Nahrung. Wer sich reichlich Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen schmecken lässt, kann zudem zahlreichen Krankheiten vorbeugen. Studien an Vegetariern haben gezeigt, dass Menschen, die sich ohne Fleisch ernähren, seltener an koronaren Herzerkrankungen, Krankheiten des Verdauungstraktes, Gicht und Nierenfunktionsstörungen leiden. Auch verschiedene Krebsarten sowie Übergewicht treten bei Vegetariern weniger oft auf als im Bevölkerungsdurchschnitt. Denn pflanzliche Lebensmittel liefern fast alle wichtigen Nährstoffe und das auch noch in einem ausgewogenen Verhältnis. Anders als Fleisch und Milchprodukte enthalten sie nur wenig Fett und Protein, dafür reichlich Kohlenhydrate. Auch bei zahlreichen Vitaminen und Mineralstoffen hat Pflanzliches die Nase vorn. Und für Ballast- sowie sekundäre Pflanzenstoffe sind Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen ohnehin unverzichtbar, denn diese gesundheitsfördernden Substanzen werden nur von Pflanzen gebildet. Problematische Inhaltsstoffe wie gesättigte Fettsäuren oder Cholesterin sucht man in Pflanzlichem dagegen meist vergeblich. Für die Versorgung mit Calcium, Eisen, Jod, Vitamin B12 und B2 sind Milch und Milchprodukte, Fleisch und Fisch eine gute Ergänzung der pflanzlichen Kost. Ein bis zwei Fisch- und Fleischmahlzeiten in der Woche reichen dafür völlig aus.
Auch zum Schutz unseres Klimas trägt die Vollwertkost mit ihrem hohen Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln bei. Denn im Gegensatz zu tierischen Lebensmitteln entstehen bei ihrer Erzeugung weitaus weniger klimaschädliche Gase. Rund 18 Prozent der globalen Treibhausgase gehen auf das Konto der Viehhaltung. Vor allem Wiederkäuer wie Rinder und Schafe setzen bei ihrer Verdauung Methan frei, das unserem Klima 25-mal mehr einheizt als Kohlendioxid. Wurst, Käse, Rind- und Schaffleisch stehen daher auf der Liste klimaschädlicher Lebensmittel ganz oben. 
Die Massentierhaltung bringt weitere Probleme mit sich wie die Entsorgung der Gülle oder der große Flächenverbrauch für den Anbau von Futtermitteln. Immer noch werden für Soja als Tierfutter gigantische Flächen an Regenwald gerodet. Und 80 Prozent des Futtersojas sind inzwischen gentechnisch verändert. Angesichts der stetig wachsenden Weltbevölkerung stellt sich die Frage, wie lange wir es uns noch leisten können, auf wertvollen Ackerflächen Futter für unseren Fleischkonsum anzubauen. Langfristig geht daher auch aus ökonomischen und sozialen Gründen kein Weg an weniger Fleisch vorbei.


3. Vollwertkost bevorzugt gering verarbeitete Lebensmittel
Ein frischer, knackiger Apfel strotzt geradezu vor Vitaminen, sekundären Pflanzenstoffen, Ballast- und Mineralstoffen. Entfernen wir die Schale, geht bereits ein Teil der wertvollen Pflanzenstoffe und Vitamine verloren. Kochen wir den Apfel zu Apfelbrei, büßt er auch noch Ballaststoffe und Vitamin C ein. Beim Schälen, Wässern, Kochen und Braten geht es vielen wertvollen Inhaltsstoffen an den Kragen. Werden die Lebensmittel dann weiter zu Fertigprodukten verarbeitet, kommen zusätzlich unerwünschte Stoffe hinzu. Gehärtete Fette, Aromen, Farb- und andere Zusatzstoffe stecken vor allem in stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Kartoffelchips, Fertigsuppen oder Keksen. Sie liefern zwar reichlich Kalorien, aber wenig Stoffe, die unseren Körper gesund erhalten. 
Mehr Nährstoffe, dafür weniger Kalorien garantiert dagegen unerhitzte Frischkost. Frisches Obst und Gemüse, Nüsse, Ölsamen, Keimlinge, kalt gepresste native Öle und – wenn verfügbar – unerhitzte Milchprodukte sollten daher etwa die Hälfte der Nahrungsmenge ausmachen. Lecker schmeckt beispielsweise ein Müsli mit Obst und Nüssen zum Frühstück, eine Möhre oder ein Apfel zum Knabbern für zwischendurch und ein üppiger Salatteller zum Mittag- oder Abendessen. Selbstverständlich lässt sich nicht alles roh verzehren. Manche Gemüse wie Kartoffeln oder bestimmte Pilze sind roh unverträglich, andere wie Bohnen enthalten giftige Inhaltsstoffe oder schmecken roh einfach nicht, wie Auberginen. Deswegen hat Werner Kollath, der Pionier der Vollwert-Ernährung, schon vor 60 Jahren gefordert: „Lasst unsere Nahrung so natürlich wie möglich.“ Wo es möglich ist, sind gering verarbeitete Lebensmittel zu bevorzugen. Dazu gehört auch ein schonender Umgang mit unserer Nahrung: So sollten wir Obst und Gemüse zwar gründlich waschen, aber nicht länger im Wasser liegen lassen und Gemüse bissfest dünsten oder dämpfen, anstatt es in viel Wasser weich zu kochen. Auch langes Warmhalten bekommt vielen Nährstoffen schlecht.


4. Ökologisch erzeugt
Verdichtung der Böden, Rückgang der Tier- und Pflanzenvielfalt sowie ein hoher Energie- und Ressourcenverbrauch sind nur einige Folgen der konventionellen Landwirtschaft. Auch die Belastung der Umwelt mit Stickstoff, Phosphaten und Pestiziden zählt dazu. Der ökologische Landbau versucht dagegen, die Umwelt zu schonen. Biobauern verzichten auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralischen Stickstoffdünger, sie setzen bodenerhaltende Fruchtfolgen ein und begrenzen den Viehbestand. Futtermittel werden überwiegend auf dem eigenen Hof angebaut. Und eine artgerechte Haltung von Hühnern, Schweinen, Kühen und Rindern wird ganz groß geschrieben. Dies alles führt dazu, dass der ökologische Landbau die Umwelt deutlich geringer belastet als die konventionellen Methoden. Auch dem Klima schmeckt der Öko-Landbau gut: Er benötigt weniger Energie und setzt damit weniger Treibhausgase frei. Zusätzlich binden ökologisch bearbeitete Böden mehr klimabelastendes C02. Auch die Belastung mit Pestiziden ist bei Biogemüse und -obst kein Thema. Immer wieder wird ihnen Rückstandsfreiheit bescheinigt.


5.Vollwertkost: Regional und saisonal
Das Angebot von Lebensmitteln ist gigantisch. Losgelöst von der Saison wird Obst und Gemüse aus aller Herren Länder das ganze Jahr über angeboten. Doch die energieaufwendigen Transporte aus Neuseeland oder Südafrika bleiben nicht ohne Folgen: Schwefeldioxid aus Schiffsdiesel, Kohlendioxid und Feinstaub aus LKW-Abgasen und vor allem Treibhausgase von Flugzeugen setzen unserem Klima und unserer Umwelt stark zu. Ein Kilo Erdbeeren, dass nach Deutschland geflogen wird, belastet die Atmosphäre mehrere hundertmal stärker als ein Kilo heimischer Äpfel. Lebensmittel aus der Region legen nur kurze Wege zurück und werden meist dann angeboten, wenn sie auch Saison haben. Sie dürfen bis zur vollen Reife am Strauch oder im Boden bleiben und bringen die ganze Bandbreite an Geschmack und gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe auf den Tisch.


6. Umweltverträglich verpackte Vollwertkost
Hier ein Tetrapak, dort eine Kunststoffschale, noch ein paar Joghurtbecher und schon ist der gelbe Sack wieder voll. Heute wird zwar ein Teil der Verpackungen recycelt, dennoch verbraucht sowohl die Herstellung als auch die Entsorgung Energie und Rohstoffe wie Erdöl. Was nicht wiederverwertet werden kann, landet in der Verbrennungsanlage oder auf der Deponie und belastet Luft und Boden. Das Müllproblem ist nur dann in den Griff zu bekommen, wenn Abfall konsequent vermieden wird. Unverpackte bzw. mit möglichst wenig Aufwand verpackte Lebensmittel sowie Mehrwegbehältnisse für Milchprodukte und Getränke tragen dazu bei. Wer viel frische Ware wie Gemüse, Obst, Kartoffeln und Getreide kauft und aufwendig verpackte Fertigprodukte links liegen lässt, hilft überflüssigen Müll einzusparen.


7. Fair gehandelt
Mit landwirtschaftlichen Produkten wird seit Jahrhunderten weltweit Handel betrieben. Denn vieles, was bei uns nicht wächst, gedeiht anderswo und umgekehrt. Durch vorhandene Machtstrukturen und ungleiche Wettbewerbsbedingungen sind jedoch viele kleine und mittlere Betriebe benachteiligt – vor allem in Entwicklungsländern. Schätzungsweise 80 Prozent der Agrarexporte von Entwicklungsländern werden von multinationalen Konzernen abgewickelt. Diese streichen die Gewinne ein und für die Arbeiter auf den Plantagen bleibt kaum genug zum Überleben. Unsoziale Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit und Gesundheitsgefahren durch einen laschen Umgang mit Pestiziden sind an der Tagesordnung. Millionen Kleinbauern und Landarbeiter aus den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas haben keine Chance, aus ihrer Armut herauszukommen. Durch den Kauf von fair gehandelten Produkten können wir einen kleinen Beitrag für eine gerechtere Welt leisten. Kaffee, Kakao, Bananen und viele weitere Produkte mit einem Siegel des fairen Handels garantieren den Erzeugern feste Abnahmepreise und unterstützen zusätzlich Gesundheits- und Sozialprogramme. Aber auch hierzulande müssen faire Preise beispielsweise für Milch den Bauern ihr Auskommen ermöglichen.

Wer mit gutem Gewissen zu gesunder Nahrung greift, dem schmeckt es gleich noch einmal so gut. Vollwertköstler zeigen Verantwortung für sich, ihre Umwelt und ihre Mitmenschen und gewinnen so an Lebensqualität dazu.




Mit Vollwertkost gut versorgt!
Wie gesund sich Vollwertköstler wirklich ernähren, untersuchten Wissenschaftler vom Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Gießen. Das Ergebnis bestätigt: Wer die Empfehlungen der Vollwertkost umsetzt, lebt gesünder als der durchschnittliche Bundesbürger.

Obwohl es Vollwertkost schon seit Jahrzehnten gibt, lagen bisher keine wissenschaftlichen Untersuchungen darüber vor, wie sich die Ernährungsform auf die Gesundheit auswirkt.
In der Gießener Vollwert-Ernährungs-Studie wurde erstmals der Gesundheits- und Ernährungsstatus einer großen Zahl Personen untersucht, die Vollwert-Ernährung praktiziert. Um eine möglichst homogene Gruppe zu erhalten, wurden ausschließlich Frauen ausgesucht. Insgesamt nahmen 418 gesunde Frauen im Alter von 25 bis 65 Jahren aus den alten Bundesländern an der Untersuchung teil, die von 1989 bis 1994 durchgeführt wurde. Davon ernährten sich 243 Frauen seit mindestens fünf Jahren nach den Empfehlungen der Vollwert-Ernährung. Sie wurden mit einer Gruppe von 175 Frauen verglichen, deren Ernährungsweise dem Bundesdurchschnitt entsprach, im folgenden Mischköstlerinnen genannt.


Vollwertkost: Fragebögen und Blutproben gaben Aufschluss
Das Ernährungsverhalten der Teilnehmerinnen wurde mit Fragebögen und einem 7-Tage-Ernährungsprotokoll erfasst. Anhand der Aufzeichnungen konnte die Nährstoffzufuhr berechnet werden. Dabei interessierte besonders, inwieweit die beiden Gruppen die Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr der Deutschen Gesellschaft für Ernährung erreichten. Zusätzlich wurden von den Teilnehmerinnen Blutproben entnommen und auf verschiedene Vitaminkonzentrationen untersucht. Um den Gesundheitsstatus zu beurteilen, wurden einige Risikofaktoren für ernährungsabhängige Krankheiten ermittelt, z. B. der Blutcholesterinspiegel.
Die Vollwertköstlerinnen praktizierten im Durchschnitt seit acht Jahren Vollwert-Ernährung. Hierfür gaben sie an erster Stelle gesundheitliche und an zweiter ökologische Gründe an. Aber auch soziale und geschmackliche Faktoren spielten eine entscheidende Rolle. Das ausgeprägte Gesundheitsbewusstsein der Vollwertköstlerinnen zeigte sich auch beim Körpergewicht und Rauchverhalten. So lag ihr durchschnittliches relatives Gewicht bezogen auf die Körpergröße im wünschenswerten Bereich. In der Vergleichsgruppe zeigten dagegen einige Frauen leichtes bis schweres Übergewicht. Nur eine Vollwertköstlerin gab an, Raucherin zu sein, während von den Mischköstlerinnen 20 Prozent rauchten.


Vollwertkost: Mehr Gemüse, weniger Fleisch
Deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen ergaben sich bei der Art und der Menge der verzehrten Lebensmittel. Die Vollwertköstlerinnen aßen fast 70 Prozent mehr Gemüse und Hülsenfrüchte als die Mischköstlerinnen. Allein der Anteil an unerhitztem Gemüse war bei den Vollwertköstlerinnen etwa so hoch wie der gesamte Gemüseverzehr der Mischköstlerinnen. Obst stand bei den Vollwertfrauen fast doppelt so häufig auf dem Speiseplan wie bei der Vergleichsgruppe. Dabei bezogen sie ihr Gemüse zu 90 Prozent und ihr Obst zu 85 Prozent aus ökologischem Landbau. Am stärksten unterschieden sich die Vollwert- und Mischköstlerinnen im Verzehr von Fleisch und Fleischwaren. Etwa die Hälfte der Vollwertköstlerinnen ernährte sich vegetarisch, das heißt, sie aßen weder Fleisch noch Fisch. Die andere Hälfte verzehrte durchschnittlich eine Portion Fleisch und zwei Scheiben Wurst pro Woche. Bei den Mischköstlerinnen kamen dagegen etwa fünfmal so viel Fleisch und Fleischwaren auf den Tisch.


Vollkornbrot oft selbst gebacken
Brot und Backwaren verzehrten beide Gruppen etwa in den gleichen Mengen. Erwartungsgemäß wählten die Vollwertköstlerinnen überwiegend Produkte aus Vollkornmehl, während die Mischköstlerinnen Backwaren aus Auszugsmehlen bevorzugten. Fast alle Mischköstlerinnen kauften ihr Brot, wohingegen etwa jede zweite Vollwertköstlerin ihr Brot selbst backte. Dafür verwendeten sie überwiegend Getreide aus ökologischem Landbau. Die andere Hälfte der Vollwertköstlerinnen kaufte ihr Brot hauptsächlich in Naturkostläden, die in der Regel ebenfalls Vollkornbrot aus ökologisch angebautem Getreideanbieten.

Milch und Milchprodukte einschließlich Käse und Quark standen bei beiden Gruppen etwa in den gleichen Mengen auf dem Speiseplan. Die Vollwertköstlerinnen tranken zwar weniger Milch als die Mischköstlerinnen, aßen aber mehr Käse und Quark. Etwa 90 Prozent der Vollwertfrauen, aber nur 40 Prozent der Mischköstlerinnen kauften ihre Milch umweltbewusst im eigenen Gefäß oder in Pfandflaschen. Sichtbares Speisefett und -öl kam bei den Vollwertköstlerinnen häufiger auf den Tisch als bei den Mischköstlerinnen. Die Vollwerthaushalte verwendeten häufiger Butter, ungehärtete Margarine und kaltgepresste, nicht raffinierte Öle, während die Vergleichsgruppe öfter zu raffiniertem Speiseöl, Schmalz und Speck griff. Süßungsmittel wurden von beiden Gruppen in ähnlichen Mengen verzehrt. Während die Vollwerthaushalte Honig, Rohzucker, Ahornsirup und Dicksäfte bevorzugten, überwogen bei den Mischköstlerinnen Haushaltszucker und Süßstoff. Bei Süßigkeiten und Süßspeisen langten die Mischköstlerinnen etwa doppelt so häufig zu. Die Trinkmenge beider Gruppen war etwa gleich, die Art der Getränke unterschied sich jedoch deutlich voneinander: Vollwertköstlerinnen löschten ihren Durst bevorzugt mit Mineralwasser sowie Früchte- und Kräutertees; Mischköstlerinnen tranken mehr Kaffee bzw. schwarzen Tee und Erfrischungsgetränke.

Vollwertkost: Günstige Nährstoffverhältnisse
Bei der Berechnung der Nährstoffzufuhr zeigte sich, dass die Vollwertköstlerinnen günstigere Nährstoffrelationen erreichten. Ihre Kost enthielt mehr Kohlenhydrate sowie weniger Fett und Proteine als die der Mischköstlerinnen. Damit kamen sie den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung recht nahe, lediglich der Fettanteil von 37 Prozent könnte noch etwas geringer sein. Diejenigen Vollwertköstlerinnen, die sich vegetarisch ernährten, erreichten ein noch günstigeres Verhältnis von Kohlenhydraten zu Fetten und Proteinen. Die Vollwertköstler bezogen etwa 60 Prozent ihres Proteins aus pflanzlichen Lebensmitteln, der Rest stammt aus tierischen Produkten. Bei den Mischköstlerinnen war das Verhältnis nahezu umgekehrt (35/65 Prozent). Brot und Backwaren waren die hauptsächlichen Proteinquellen in der Vollwert-Ernährung, gefolgt von Käse, Quark und Eiern. Bei den Mischköstlerinnen waren dagegen Fleisch und Fleischwaren die wichtigsten Proteinlieferanten.
Die Vitaminzufuhr der Vollwertköstlerinnen war in den meisten Fällen höher als die der Vergleichsgruppe, was insbesondere auf den hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel zurückzuführen ist. Lediglich die Vitamine D, B2 und B12, die in erster Linie in tierischen Lebensmitteln vorkommen, wurden etwas weniger aufgenommen. Die Aufnahme der Vitamine D und B12 lag dabei insbesondere bei den vegetarischen Vollwertköstlerinnen unter den DGE-Empfehlungen. Vegetarierinnen, die im Durchschnitt täglich 320 Gramm Milchprodukte plus 100 Gramm Quark und Käse sowie ein Ei pro Woche aßen, kamen jedoch auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B12. Von allen anderen Vitaminen nahmen die Vollwertköstlerinnen mehr auf, als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Ähnlich günstig sah die Mineralstoffzufuhr aus: Vollwertköstlerinnen verzehrten mehr Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen als die Mischköstlerinnen und überschritten die DGE-Empfehlungen. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass die Mineralstoffe bei den Vollwertköstlerinnen größtenteils aus pflanzlichen Lebensmitteln stammten und teilweise nur eingeschränkt verfügbar sind.
Die vorwiegende pflanzliche Ernährungsweise sorgte dafür, dass die Vollwertköstlerinnen mehr Ballaststoffe und weniger Cholesterin aufnahmen. Im Gegensatz zu den Mischköstlerinnen überschritt ihre Ballaststoffzufuhr von durchschnittlich 45 Gramm die Empfehlung der DGE. Hauptquellen waren Obst, Brot, Backwaren und Gemüse. Ihre Cholesterinzufuhr war nur etwa halb so hoch wie die der Mischköstlerinnen und lag deutlich unterhalb des von der DGE angegebenen Richtwertes.


Vollwertkost: Mehr Beta-Carotin im Blut
Obwohl die Vollwertköstlerinnen von den meisten Vitaminen mehr aufnahmen als die Mischköstlerinnen, ergaben die Vitaminuntersuchungen im Blut keine großen Unterschiede. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Mischköstlerinnen, die sich für die Studie bewarben, bereits eine recht gesunde Ernährung und günstige Vitaminzufuhr hatten. Die einzige Ausnahme bildete das antioxidativ wirksame Beta-Carotin, von dem die Vollwertköstlerinnen fast doppelt so hohe Blutwerte aufwiesen als die Mischköstlerinnen. Die Frauen, die sich am längsten vollwertig ernährten, hatten die höchsten Beta-Carotin-Konzentrationen im Blut. Dies ließ sich in erster Linie auf den hohen Gemüse- und Obstverzehr zurückführen.


Mit Vollwertkost gesundheitsbewusst leben
Unabhängig von anderen Einflussfaktoren wie sportliche Aktivität und Gewicht wirkte sich die Vollwert-Ernährung zudem günstig auf einzelne Parameter des Fettstoffwechsels aus. So war der HDL-Cholesterinspiegel bei den Vollwertköstlerinnen höher und der Quotient aus LDL- und HDL-Cholesterin niedriger als als bei den Mischköstlerinnen. Die vegetarischen Vollwertköstlerinnen wiesen zudem niedrigere Triglyceridwerte auf. Keine Unterschiede wurden für Gesamt- und LDL-Cholesterin nachgewiesen. Hohe HDL-Cholesterinwerte und niedrige Triglycerid- sowie LDL-Cholesterinkonzentrationen sind günstig im Hinblick auf die Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen.
Die Ergebnisse der Gießener Vollwert-Ernährungs-Studie zeigen, dass die Empfehlungen für die Vollwertkost sehr gut in die tägliche Praxis umsetzbar sind und zu einer guten Versorgung mit Nährstoffen beitragen. Generell wiesen die untersuchten Vollwertköstlerinnen ein hohes Gesundheitsbewusstsein auf. Den Meisten war es sehr wichtig, sich gesund zu ernähren, und sie berücksichtigten darüber hinaus weitere Aspekte der Ernährung, vor allem Umweltverträglichkeit.
Mit der Vollwertkost werden die allgemeinen Empfehlungen zur Vorbeugung von ernährungsabhängigen Krankheiten gut erreicht. Zusätzlich wirkt sich die hohe Zufuhr der antioxidativ wirkenden Vitamine E und C sowie an Carotinoiden vermutlich positiv auf die Vorbeugung von Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs aus. Der insgesamt günstige Lebensstil der untersuchten Vollwertköstlerinnen trägt ebenfalls dazu bei, bestimmte Krankheiten zu vermeiden. Die Vollwertköstlerinnen hatten weniger Übergewicht, tranken weniger Alkohol und rauchten kaum.