Rohkosternährung
Rohkost klingt nach einschränkender Kost – in Wirklichkeit aber ist sie längst Bestandteil vieler gesunder Mahlzeiten, die wir im Alltag zu uns nehmen: der Smoothie zum Frühstück, der Beilagensalat zum Hauptgericht, der Obstsalat zum Dessert, Sorbets, Säfte, Nüsse, Trockenobst.
Ein bisschen Rohkost-Ernährung begleitet uns also oft schon durch den Tag. Sich aber ausschliesslich roh zu ernähren ist eine Ernährungsform, die mit dem kleinen Beilagensalat nur noch wenig gemeinsam hat.
Was ist alles Rohkost?
An der Justus-Liebig-Universität in Gießen wurde eine große Rohkost-Studie realisiert, bei der von 1996 bis 1998 mehr als 700 Teilnehmer begleitet und untersucht wurden, die sich seit mindestens 14 Monaten vor Studienbeginn von Rohkost ernährten. Von rund 200 Teilnehmern konnten am Studien-Ende die vollständigen Daten ausgewertet werden. Für die Studie musste eine Definition geschaffen werden, die bis heute als wissenschaftliche Grundlage dient. Diese lautet:
„Rohkost-Ernährung ist eine Kostform, die weitgehend oder ausschließlich unerhitzte pflanzliche (teilweise auch tierische) Lebensmittel enthält. Es werden auch Lebensmittel einbezogen, die verfahrensbedingt erhöhten Temperaturen ausgesetzt sind (z.B. kaltgeschleuderter Honig und kaltgepreßte Öle), ebenso Lebensmittel, bei deren Herstellung eine gewisse Hitzezufuhr erforderlich ist (z.B. Trockenfrüchte, Trockenfleisch, Trockenfisch und bestimmte Nußarten).
Außerdem können kaltgeräucherte Erzeugnisse (z.B. Fleisch und Fisch) sowie essig- und milchsaure Gemüse Bestandteil der Rohkost sein. Fett, aus frischen Lebensmitteln. Nahrungsmittel mit Zusatzstoffen werden vermieden.“
Diese Definition bezieht sich jedoch nur auf jene Variante der Rohkost-Ernährung, die von den Wissenschaftlern untersucht wurde.
Darüber hinaus gibt es aber noch weitere Interpretationen dessen, was unter „Rohkost“ zu verstehen ist; entsprechend gibt es abweichende Verzehrempfehlungen.
Als „erhitzt“ gelten jedoch gemeinhin Lebensmittel, die eine Temperatur über 42 Grad überschritten haben – auch wenn es nur kurzfristig war. Der Gedanke dahinter: Manche Eiweiße, wie auch zum Beispiel solche aus unserem Blut, beginnen ab 42 Grad zu denaturieren. Daher sollen auch erhitzte Lebensmittel denaturiert und nicht mehr vollwertig sein.
Rohkost heißt nicht gleich vegetarisch oder vegan
Oft wird Rohkost mit veganer oder vegetarischer Ernährung gleich gesetzt oder verwechselt. Es ist zwar möglich, sich als Rohköstler vegan oder vegetarisch zu ernähren, jedoch nicht nötig. Tierische Bestandteile wie Rohmilchprodukte (auch Käse!), rohe Eier, roher Fisch und rohes Fleisch sind aber grundsätzlich erlaubt.
Dazu zählen Trockenfisch und Trockenfleisch, kalt geräucherte Fleisch- und Fischerzeugnisse und kalt „gegarte“ Produkte wie Matjeshering oder Ceviche und kalte Delikatessen wie Sushi oder Carpaccio. Rohkost-Ernährung kann also durchaus viele tierische Bestandteile enthalten.
Hat Rohkost mehr Vitamine?
Ein Kerngedanke der Ernährung mit Rohkost ist, dass Vitamine durch das Erhitzen der Lebensmittel zerfallen und die Nahrung somit „nährstoffarmer“ würde. Tatsächlich ist das bei vielen Vitaminen so – ein klassisches Beispiel ist Vitamin C, das nicht nur beim Erhitzen, sondern auch bei unsachgemäßer Lagerung aus Obst und Gemüse schwindet.
Bei der Rohkost-Studie aus Gießen stellte man fest, dass Menschen, die sich zu mindestens 70 Prozent von Rohkost ernähren, sogar besser mit einigen Vitaminen versorgt sind, als empfohlen wird. Aber: Es gibt eben auch eine ganze Menge Vitamine und Mineralstoffe, die durch Erhitzen erst optimal bioverfügbar, also für unseren Körper aufnahmefähig gemacht werden. Dazu zählen Vitamin A und Vitamin E.
Manche Lebensmittel führen bei rohem Verzehr sogar dazu, dass dem Körper Vitamine entzogen werden. Dies ist zum Beispiel bei Eiklar der Fall. Dieses enthält einen Stoff namens Avidin, der im menschlichen Körper Vitamin H / B7 / Biotin bindet, sodass es beim Verzehr von rohen Eiern zu Biotinmangel kommt.
Ein weiteres Beispiel ist der Mangel an Vitamin B1 / Thiamin, der durch rohen Verzehr von Schalentieren (zum Beispiel Muscheln) und Süßwasserfischen entsteht, weil darin ein Enzym enthalten ist, das Vitamin B1 abbaut.
Die Gießener Langzeitstudie zeigte, dass Rohköstler Defizite bei folgenden Vitaminen und Mineralstoffen aufweisen: Eisen, Magnesium, Calcium, Zink, Iod, Vitamin D, Vitamin B2 und Vitamin B12.
Eine Ernährung mit Rohkost führt also einerseits zu einer erhöhten und andererseits zu einer signifikant erniedrigten Vitaminzufuhr. Wer sich nur roh ernährt, sollte sein Blut regelmäßig darauf kontrollieren lassen und gegebenenfalls Vitaminpräparate einnehmen.
Darf man alles roh essen?
Wie jede Ernährungsphilosophie ist auch die der Rohkost nicht ganz einfach und nicht ohne Vorkenntnisse umzusetzen. Ein Grund dafür: Nicht alle Lebensmittel dürfen roh verzehrt werden. Einfache Beispiele sind Hülsenfrüchte und Kartoffeln, die bei uns einen großen Teil in der Nahrung ausmachen.
Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen schützen sich vor Fressfeinden (aus Sicht der Pflanzen sind wir welche), indem sie Gifte produzieren. Ein besonders wirksames Fraßgift sind manche Lektine, die in Bohnen enthalten sind und dazu führen, dass die roten Blutkörperchen verklumpen.
Lässt man Hülsenfrüchte jedoch keimen, wird beim Keimvorgang ein Teil dieser Gifte abgebaut. Dabei hängt es von der Keimdauer und Hülsenfrucht selbst ab, wie viel davon in der Bohnensprosse noch enthalten ist.
Nur durch Erhitzen werden die Fraßgifte komplett abgebaut, sodass bei der Ernährung damit keinerlei Vergiftungsrisiko entsteht.
Rohe Kartoffeln enthalten Solanin, ein Nervengift, das auch viele andere Nachtschattengewächse beinhalten. In großen Mengen wirkt es auch für Menschen giftig. Der Solaningehalt ist von Kartoffel zu Kartoffelsorte recht unterschiedlich. Moderne Sorten enthalten jedoch nur noch recht wenig davon.
Wer Lebensmittel roh verzehrt, sollte sich also vorher immer gut informieren, ob dies eventuell gesundheitliche Nachteile mit sich bringt, also ungesund bis giftig ist.
Führt Rohkost-Ernährung zu Blähungen?
Ein altbekanntes Vorurteil ist, dass die Rohkost-Ernährung zwangsläufig zu Blähungen führt. Leidet man nicht zufällig an einer noch unentdeckten Fruktose-Intoleranz, so sind Blähungen aber nur zu Beginn einer Rohkosternährung häufig.
Dies hängt mit der Darmflora zusammen: Nicht jeder Mensch hat die gleiche Darmflora, jeder hat sein eigenes, individuelles „Bauchgeflüster“, bzw. seinen eigenen „Darmflora – Fingerabdruck“, der sich auf Basis von ca. 800 bis 1000 verschiedenen Bakterien zusammensetzt.
Jede Gattung eines Darmbakteriums ist auf eine bestimmte Art von Nahrung spezialisiert: Dem einen „schmecken“ nur Fette, dem anderen z.B. nur Eiweiße oder Zucker. Bis die Darmflora sich auf das neue Nahrungsangebot eingestellt hat und „Rohkostspezialisten“ die Verdauung übernehmen, kann es also immer zu Blähungen kommen.
Dies passiert aber bei jeder anderen Ernährungsumstellung auch und ist nicht nur bei Rohkost der Fall.
Ist Rohkost bakteriell belastet?
„Cook it, peal it, wash it or forget it“ ist der Leitsatz vieler Reisende, um sich vor Magen-Darm-Erkrankungen zu schützen. Doch was, wenn man als Rohköstler seine Nahrung nicht erhitzt – ist sie dann keimbelastet und gesundheitsgefährdend? Nicht unbedingt!
Rohes Obst und Gemüse sollten vor dem Verzehr natürlich gründlich gewaschen werden. Und wenn Rohmilchprodukte, rohes Fleisch, rohe Schalentiere und Fische hygienisch zubereitet und gut gekühlt aufbewahrt werden, haben Menschen, die sich von Rohkost ernähren, kein größeres Infektionsrisiko.
Die Angst vor Keimen in unseren mit Industrielebensmitteln mit Mindesthaltbarkeitsdatum vollgestopften Kühlschränken ist unbegründet hoch. Wer gekochte Lebensmittel bevorzugt, kann sich durch verdorbenen Räucherfisch oder keimbelastete rohe Eierspeisen den Magen ganz genauso verderben.
Kann man mit Rohkost abnehmen?
Ein Ergebnis der Gießener Rohkost-Studie war, dass 57% der Studienteilnehmer Untergewicht hatten und alle Teilnehmer im Laufe der Jahre aufgrund ihrer Ernährung kontinuierlich an Gewicht verloren. Im Durchschnitt hatten die teilnehmenden Männer 10 kg und Frauen 12 kg über den Zeitraum von vier Jahren verloren.
Statistisch gesehen, führt eine Rohkost-Ernährung also zu einer Gewichtsreduktion. Wer langfristig und gesund abnehmen möchte, sollte allerdings anstelle einer reinen Rohkost-Diät auf Zeit lieber eine generelle Ernährungsumstellung in Erwägung ziehen.
Ist die Ernährung mit Rohkost ausgewogen?
Betrachtet man nur die drei energieliefernden Makronährstoffe Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette, so ist es durchaus möglich, den körpereigenen Bedarf nur mit Rohkost zu decken. Eine ausgewogene Ernährung besteht jedoch aus dem Zusammenspiel dieser Makro- mit vielen Mikronährstoffen, die zwar keine Kalorien mit sich bringen, dafür aber für den Stoffwechsel und die Gesundheit unseres Körpers unabdingbar sind.
Dies sind in erster Linie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, aber auch andere sekundäre Pflanzenstoffe wie Antioxidantien und Ballaststoffe. Eine rundum ausgewogene Ernährung stellt dem Körper also all das zur Verfügung, was er braucht. Und genau das ist bei reiner Rohkost nicht möglich. Aber auch, wer sein Essen kocht, sollte darauf achten, die Mahlzeiten ausgewogen zusammen zu stellen.
Ist so viel Gemüse eher ein Vorteil oder ein Nachteil?
Wie bereits erwähnt, ist es nicht möglich, den kompletten Bedarf an Mineralien und Vitaminen über Rohkost zu decken. Zugleich ist eine übermäßige Anreicherung von Vitaminen durch Rohkost nur in Extremfällen möglich und selten schädlich. Es liegt nicht an der großen Menge Obst und Gemüse, wenn Rohkost zu Mangelernährung führt, sondern an der Art der Zubereitung.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt daher für Erwachsene pro Tag mindestens 400 g Gemüse und 250 g Obst, davon etwa die Hälfte roh und die andere Hälfte erhitzt. Übrigens: der „Durchschnittsdeutsche“ schafft es nicht, die empfohlene Menge Obst und Gemüse pro Tag zu verzehren. Es tut uns allen also gut, davon eine große Portion mehr in unseren Alltag zu integrieren!
Ist Rohkost-Ernährung umweltfreundlich?
Menschen, die sich von Rohkost ernähren, werden oft mit „Ökos“ gleichgesetzt, weil man gemeinhin annimmt, dass Rohkost nicht nur gesund ist, sondern auch eine umweltfreundliche Ernährungsform.
Natürlich verbrauchen Rohköstler keinen Strom für Herd, Backofen und Mikrowelle (sondern für Entsafter, Mixer, Dörrautomat und Pürierstab) und durch den Verzicht auf die meisten industriell hergestellten Lebensmittel kann ihr CO2-Fußabdruck tatsächlich geringer ausfallen als der von „Warmessern“.
Die Rechnung geht aber nicht immer auf: Die Fleisch- und Milchindustrie gehört zu den größten Klimakillern im Lebensmittelsektor.
Weil es schwer für reine Rohköstler ist, ihren Eiweißbedarf ausschließlich aus pflanzlichen Quellen zu decken (Stichwort Fraßgifte), gehören zum Beispiel Rohmilchprodukte hier oft zum alltäglichen Speiseplan.
Um den Nährstoffbedarf zu decken, greifen viele Freunde der rohen Kost außerdem zu sogenannten „Superfoods“, die aus weiter Ferne importiert werden und den CO2-Fußabdruck vertiefen. Ob Rohkost oder nicht – wer sich umweltfreundlich ernähren möchte, kauft regional, saisonal und aus kontrolliert biologischem Anbau und verzichtet auf tierische Produkte.
Gibt es Rohkost-Messen?
Ja: die 2008 gestartete Wochenend-Messe „Rohvolution“ spricht alle Arten von Menschen an, die sich von der Ernährung mit Rohkost einen Beitrag zur Verbesserung ihrer persönlichen Ernährung erhoffen. Aussteller präsentieren dort Produkte rund um die Zubereitung von Rohkost, etwa Entsafter und Hilfen zum Züchten von Sprossen. Hinzu kommen Koch-Events, Vorträge und Workshops rund ums Rohe.
Info & Termine: rohvolution-messe.de
Ist Rohkost nun gesund oder ungesund?
Schaut man sich die Ergebnisse der Gießener Rohkost-Studie an, so könnte man zu dem Schluss kommen, dass Rohkost grundsätzlich ungesund sei und zu einer Mangelernährung führe. Rohkost als alleinige Kost ist nicht geeignet, um den menschlichen Körper rundum mit allem in der Menge zu versorgen, die er braucht.
Es ist aber möglich, sich mit einem recht hohen Rohkostanteil ausgewogen und nachhaltig zu ernähren. Leider ist es jedoch nicht so, dass wir dazu einfach den Herd ausgeschaltet lassen können. Es bedarf im Vorfeld einer soliden Ernährungsberatung. Und ganz ohne Kochen geht es eben nicht!
Rohkost an sich ist aber eine sinnvolle und gesundheitsfördernde Art der Zubereitung, die täglich etwa zur Hälfte unseren Speiseplan füllen sollte. Nämlich als Beilagengemüse, Beilagensalat oder Obstsalat, als Gemüse-Snack in der Brotdose oder ab und zu als Smoothie, – nicht aber als alleinige und ausschliessliche Kost.
Ein bisschen Rohkost-Ernährung begleitet uns also oft schon durch den Tag. Sich aber ausschliesslich roh zu ernähren ist eine Ernährungsform, die mit dem kleinen Beilagensalat nur noch wenig gemeinsam hat.
Was ist alles Rohkost?
An der Justus-Liebig-Universität in Gießen wurde eine große Rohkost-Studie realisiert, bei der von 1996 bis 1998 mehr als 700 Teilnehmer begleitet und untersucht wurden, die sich seit mindestens 14 Monaten vor Studienbeginn von Rohkost ernährten. Von rund 200 Teilnehmern konnten am Studien-Ende die vollständigen Daten ausgewertet werden. Für die Studie musste eine Definition geschaffen werden, die bis heute als wissenschaftliche Grundlage dient. Diese lautet:
„Rohkost-Ernährung ist eine Kostform, die weitgehend oder ausschließlich unerhitzte pflanzliche (teilweise auch tierische) Lebensmittel enthält. Es werden auch Lebensmittel einbezogen, die verfahrensbedingt erhöhten Temperaturen ausgesetzt sind (z.B. kaltgeschleuderter Honig und kaltgepreßte Öle), ebenso Lebensmittel, bei deren Herstellung eine gewisse Hitzezufuhr erforderlich ist (z.B. Trockenfrüchte, Trockenfleisch, Trockenfisch und bestimmte Nußarten).
Außerdem können kaltgeräucherte Erzeugnisse (z.B. Fleisch und Fisch) sowie essig- und milchsaure Gemüse Bestandteil der Rohkost sein. Fett, aus frischen Lebensmitteln. Nahrungsmittel mit Zusatzstoffen werden vermieden.“
Diese Definition bezieht sich jedoch nur auf jene Variante der Rohkost-Ernährung, die von den Wissenschaftlern untersucht wurde.
Darüber hinaus gibt es aber noch weitere Interpretationen dessen, was unter „Rohkost“ zu verstehen ist; entsprechend gibt es abweichende Verzehrempfehlungen.
Als „erhitzt“ gelten jedoch gemeinhin Lebensmittel, die eine Temperatur über 42 Grad überschritten haben – auch wenn es nur kurzfristig war. Der Gedanke dahinter: Manche Eiweiße, wie auch zum Beispiel solche aus unserem Blut, beginnen ab 42 Grad zu denaturieren. Daher sollen auch erhitzte Lebensmittel denaturiert und nicht mehr vollwertig sein.
Rohkost heißt nicht gleich vegetarisch oder vegan
Oft wird Rohkost mit veganer oder vegetarischer Ernährung gleich gesetzt oder verwechselt. Es ist zwar möglich, sich als Rohköstler vegan oder vegetarisch zu ernähren, jedoch nicht nötig. Tierische Bestandteile wie Rohmilchprodukte (auch Käse!), rohe Eier, roher Fisch und rohes Fleisch sind aber grundsätzlich erlaubt.
Dazu zählen Trockenfisch und Trockenfleisch, kalt geräucherte Fleisch- und Fischerzeugnisse und kalt „gegarte“ Produkte wie Matjeshering oder Ceviche und kalte Delikatessen wie Sushi oder Carpaccio. Rohkost-Ernährung kann also durchaus viele tierische Bestandteile enthalten.
Hat Rohkost mehr Vitamine?
Ein Kerngedanke der Ernährung mit Rohkost ist, dass Vitamine durch das Erhitzen der Lebensmittel zerfallen und die Nahrung somit „nährstoffarmer“ würde. Tatsächlich ist das bei vielen Vitaminen so – ein klassisches Beispiel ist Vitamin C, das nicht nur beim Erhitzen, sondern auch bei unsachgemäßer Lagerung aus Obst und Gemüse schwindet.
Bei der Rohkost-Studie aus Gießen stellte man fest, dass Menschen, die sich zu mindestens 70 Prozent von Rohkost ernähren, sogar besser mit einigen Vitaminen versorgt sind, als empfohlen wird. Aber: Es gibt eben auch eine ganze Menge Vitamine und Mineralstoffe, die durch Erhitzen erst optimal bioverfügbar, also für unseren Körper aufnahmefähig gemacht werden. Dazu zählen Vitamin A und Vitamin E.
Manche Lebensmittel führen bei rohem Verzehr sogar dazu, dass dem Körper Vitamine entzogen werden. Dies ist zum Beispiel bei Eiklar der Fall. Dieses enthält einen Stoff namens Avidin, der im menschlichen Körper Vitamin H / B7 / Biotin bindet, sodass es beim Verzehr von rohen Eiern zu Biotinmangel kommt.
Ein weiteres Beispiel ist der Mangel an Vitamin B1 / Thiamin, der durch rohen Verzehr von Schalentieren (zum Beispiel Muscheln) und Süßwasserfischen entsteht, weil darin ein Enzym enthalten ist, das Vitamin B1 abbaut.
Die Gießener Langzeitstudie zeigte, dass Rohköstler Defizite bei folgenden Vitaminen und Mineralstoffen aufweisen: Eisen, Magnesium, Calcium, Zink, Iod, Vitamin D, Vitamin B2 und Vitamin B12.
Eine Ernährung mit Rohkost führt also einerseits zu einer erhöhten und andererseits zu einer signifikant erniedrigten Vitaminzufuhr. Wer sich nur roh ernährt, sollte sein Blut regelmäßig darauf kontrollieren lassen und gegebenenfalls Vitaminpräparate einnehmen.
Darf man alles roh essen?
Wie jede Ernährungsphilosophie ist auch die der Rohkost nicht ganz einfach und nicht ohne Vorkenntnisse umzusetzen. Ein Grund dafür: Nicht alle Lebensmittel dürfen roh verzehrt werden. Einfache Beispiele sind Hülsenfrüchte und Kartoffeln, die bei uns einen großen Teil in der Nahrung ausmachen.
Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen schützen sich vor Fressfeinden (aus Sicht der Pflanzen sind wir welche), indem sie Gifte produzieren. Ein besonders wirksames Fraßgift sind manche Lektine, die in Bohnen enthalten sind und dazu führen, dass die roten Blutkörperchen verklumpen.
Lässt man Hülsenfrüchte jedoch keimen, wird beim Keimvorgang ein Teil dieser Gifte abgebaut. Dabei hängt es von der Keimdauer und Hülsenfrucht selbst ab, wie viel davon in der Bohnensprosse noch enthalten ist.
Nur durch Erhitzen werden die Fraßgifte komplett abgebaut, sodass bei der Ernährung damit keinerlei Vergiftungsrisiko entsteht.
Rohe Kartoffeln enthalten Solanin, ein Nervengift, das auch viele andere Nachtschattengewächse beinhalten. In großen Mengen wirkt es auch für Menschen giftig. Der Solaningehalt ist von Kartoffel zu Kartoffelsorte recht unterschiedlich. Moderne Sorten enthalten jedoch nur noch recht wenig davon.
Wer Lebensmittel roh verzehrt, sollte sich also vorher immer gut informieren, ob dies eventuell gesundheitliche Nachteile mit sich bringt, also ungesund bis giftig ist.
Führt Rohkost-Ernährung zu Blähungen?
Ein altbekanntes Vorurteil ist, dass die Rohkost-Ernährung zwangsläufig zu Blähungen führt. Leidet man nicht zufällig an einer noch unentdeckten Fruktose-Intoleranz, so sind Blähungen aber nur zu Beginn einer Rohkosternährung häufig.
Dies hängt mit der Darmflora zusammen: Nicht jeder Mensch hat die gleiche Darmflora, jeder hat sein eigenes, individuelles „Bauchgeflüster“, bzw. seinen eigenen „Darmflora – Fingerabdruck“, der sich auf Basis von ca. 800 bis 1000 verschiedenen Bakterien zusammensetzt.
Jede Gattung eines Darmbakteriums ist auf eine bestimmte Art von Nahrung spezialisiert: Dem einen „schmecken“ nur Fette, dem anderen z.B. nur Eiweiße oder Zucker. Bis die Darmflora sich auf das neue Nahrungsangebot eingestellt hat und „Rohkostspezialisten“ die Verdauung übernehmen, kann es also immer zu Blähungen kommen.
Dies passiert aber bei jeder anderen Ernährungsumstellung auch und ist nicht nur bei Rohkost der Fall.
Ist Rohkost bakteriell belastet?
„Cook it, peal it, wash it or forget it“ ist der Leitsatz vieler Reisende, um sich vor Magen-Darm-Erkrankungen zu schützen. Doch was, wenn man als Rohköstler seine Nahrung nicht erhitzt – ist sie dann keimbelastet und gesundheitsgefährdend? Nicht unbedingt!
Rohes Obst und Gemüse sollten vor dem Verzehr natürlich gründlich gewaschen werden. Und wenn Rohmilchprodukte, rohes Fleisch, rohe Schalentiere und Fische hygienisch zubereitet und gut gekühlt aufbewahrt werden, haben Menschen, die sich von Rohkost ernähren, kein größeres Infektionsrisiko.
Die Angst vor Keimen in unseren mit Industrielebensmitteln mit Mindesthaltbarkeitsdatum vollgestopften Kühlschränken ist unbegründet hoch. Wer gekochte Lebensmittel bevorzugt, kann sich durch verdorbenen Räucherfisch oder keimbelastete rohe Eierspeisen den Magen ganz genauso verderben.
Kann man mit Rohkost abnehmen?
Ein Ergebnis der Gießener Rohkost-Studie war, dass 57% der Studienteilnehmer Untergewicht hatten und alle Teilnehmer im Laufe der Jahre aufgrund ihrer Ernährung kontinuierlich an Gewicht verloren. Im Durchschnitt hatten die teilnehmenden Männer 10 kg und Frauen 12 kg über den Zeitraum von vier Jahren verloren.
Statistisch gesehen, führt eine Rohkost-Ernährung also zu einer Gewichtsreduktion. Wer langfristig und gesund abnehmen möchte, sollte allerdings anstelle einer reinen Rohkost-Diät auf Zeit lieber eine generelle Ernährungsumstellung in Erwägung ziehen.
Ist die Ernährung mit Rohkost ausgewogen?
Betrachtet man nur die drei energieliefernden Makronährstoffe Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette, so ist es durchaus möglich, den körpereigenen Bedarf nur mit Rohkost zu decken. Eine ausgewogene Ernährung besteht jedoch aus dem Zusammenspiel dieser Makro- mit vielen Mikronährstoffen, die zwar keine Kalorien mit sich bringen, dafür aber für den Stoffwechsel und die Gesundheit unseres Körpers unabdingbar sind.
Dies sind in erster Linie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, aber auch andere sekundäre Pflanzenstoffe wie Antioxidantien und Ballaststoffe. Eine rundum ausgewogene Ernährung stellt dem Körper also all das zur Verfügung, was er braucht. Und genau das ist bei reiner Rohkost nicht möglich. Aber auch, wer sein Essen kocht, sollte darauf achten, die Mahlzeiten ausgewogen zusammen zu stellen.
Ist so viel Gemüse eher ein Vorteil oder ein Nachteil?
Wie bereits erwähnt, ist es nicht möglich, den kompletten Bedarf an Mineralien und Vitaminen über Rohkost zu decken. Zugleich ist eine übermäßige Anreicherung von Vitaminen durch Rohkost nur in Extremfällen möglich und selten schädlich. Es liegt nicht an der großen Menge Obst und Gemüse, wenn Rohkost zu Mangelernährung führt, sondern an der Art der Zubereitung.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt daher für Erwachsene pro Tag mindestens 400 g Gemüse und 250 g Obst, davon etwa die Hälfte roh und die andere Hälfte erhitzt. Übrigens: der „Durchschnittsdeutsche“ schafft es nicht, die empfohlene Menge Obst und Gemüse pro Tag zu verzehren. Es tut uns allen also gut, davon eine große Portion mehr in unseren Alltag zu integrieren!
Ist Rohkost-Ernährung umweltfreundlich?
Menschen, die sich von Rohkost ernähren, werden oft mit „Ökos“ gleichgesetzt, weil man gemeinhin annimmt, dass Rohkost nicht nur gesund ist, sondern auch eine umweltfreundliche Ernährungsform.
Natürlich verbrauchen Rohköstler keinen Strom für Herd, Backofen und Mikrowelle (sondern für Entsafter, Mixer, Dörrautomat und Pürierstab) und durch den Verzicht auf die meisten industriell hergestellten Lebensmittel kann ihr CO2-Fußabdruck tatsächlich geringer ausfallen als der von „Warmessern“.
Die Rechnung geht aber nicht immer auf: Die Fleisch- und Milchindustrie gehört zu den größten Klimakillern im Lebensmittelsektor.
Weil es schwer für reine Rohköstler ist, ihren Eiweißbedarf ausschließlich aus pflanzlichen Quellen zu decken (Stichwort Fraßgifte), gehören zum Beispiel Rohmilchprodukte hier oft zum alltäglichen Speiseplan.
Um den Nährstoffbedarf zu decken, greifen viele Freunde der rohen Kost außerdem zu sogenannten „Superfoods“, die aus weiter Ferne importiert werden und den CO2-Fußabdruck vertiefen. Ob Rohkost oder nicht – wer sich umweltfreundlich ernähren möchte, kauft regional, saisonal und aus kontrolliert biologischem Anbau und verzichtet auf tierische Produkte.
Gibt es Rohkost-Messen?
Ja: die 2008 gestartete Wochenend-Messe „Rohvolution“ spricht alle Arten von Menschen an, die sich von der Ernährung mit Rohkost einen Beitrag zur Verbesserung ihrer persönlichen Ernährung erhoffen. Aussteller präsentieren dort Produkte rund um die Zubereitung von Rohkost, etwa Entsafter und Hilfen zum Züchten von Sprossen. Hinzu kommen Koch-Events, Vorträge und Workshops rund ums Rohe.
Info & Termine: rohvolution-messe.de
Ist Rohkost nun gesund oder ungesund?
Schaut man sich die Ergebnisse der Gießener Rohkost-Studie an, so könnte man zu dem Schluss kommen, dass Rohkost grundsätzlich ungesund sei und zu einer Mangelernährung führe. Rohkost als alleinige Kost ist nicht geeignet, um den menschlichen Körper rundum mit allem in der Menge zu versorgen, die er braucht.
Es ist aber möglich, sich mit einem recht hohen Rohkostanteil ausgewogen und nachhaltig zu ernähren. Leider ist es jedoch nicht so, dass wir dazu einfach den Herd ausgeschaltet lassen können. Es bedarf im Vorfeld einer soliden Ernährungsberatung. Und ganz ohne Kochen geht es eben nicht!
Rohkost an sich ist aber eine sinnvolle und gesundheitsfördernde Art der Zubereitung, die täglich etwa zur Hälfte unseren Speiseplan füllen sollte. Nämlich als Beilagengemüse, Beilagensalat oder Obstsalat, als Gemüse-Snack in der Brotdose oder ab und zu als Smoothie, – nicht aber als alleinige und ausschliessliche Kost.