Migräne

Richtige Ernährung bei Migräne versorgt das Gehirn vor allem mit ausreichend Energie in Form von Kohlehydraten. Den weit verbreiteten Glauben an Lebensmittel als Trigger für Migräneattacken bezeichnen Experten als weitgehend überholt.

Ernährung bei Migräne
Der Einfluss von Ernährung bei Migräne ist mit einiger Sicherheit deutlich geringer als über viele Jahre angenommen. Nach aktuellem Stand der Forschung spielen Lebens- und Genussmittel nur selten eine entscheidende Rolle als Triggerfaktoren (Auslöser) von Migräneanfällen. Dennoch kann Ernährung dazu beitragen, Migräneattacken vorzubeugen.


Lebensmittel spielen als Migräne-Auslöser keine wesentliche Rolle
Die Warnung vor bestimmten Lebens- und Genussmittel als möglichen Triggerfaktoren ist nach wie vor fester Bestandteil von sehr vielen Empfehlungen zur Migräne-Vorbeugung. Ob Publikationszeitschrift, Medizinportale oder Blogs: Fast immer findet sich die Warnung vor Migräne-Triggern wie Akohol, Käse, Kaffee, Schokolade und Zitrusfrüchten oder Histaminen und anderen Nahrungsbestandteilen oder Abbauprodukten.
Die Wissenschaft sieht das zunehmend anders. Nach Einschätzung von Migräne-Experten und Fachgesellschaften wird die Rolle von Lebensmitteln als Migräne-Trigger in weiten Teilen der Öffentlichkeit übertrieben dargestellt. Demnach werden „Nahrungsmittel als Auslöser wohl eher über- als unterschätzt“, schreibt die Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft im Informationsblatt Ernährung und Migräne (siehe Quellen).
Der Migräne-Spezialist Prof. Dr. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel beurteilt den Einfluss von vermeintlich migräneauslösenden Lebens- und Genussmitteln noch eindeutiger: „So wenig wie Hunger nach Rollmops und Himbeereis die Ursache der Schwangerschaft ist, so wenig ist der Hunger nach Schokolade die Ursache der Migräne, sondern ebenfalls ein Symptom. Leider ist das noch wenig bekannt und alte Mythen halten sich weiter.“ Laut Göbel ist ein bestimmtes Essverhalten vor einer Migräne-Attacke nicht der Grund für den Anfall, sondern nur ein erstes Anzeichen einer sich anbahnenden Migräne-Episode (siehe Quellen).



Migräne-Anfälle durch Ernährung vorbeugen
Ernährungsbedingte Faktoren scheiden dem aktuellen Forschungsstand folgend als Auslöser von Migräneanfällen aus. Hat die Ernährung also keinen Einfluss auf die Migräne? Doch, die Ernährung hat durchaus großen Einfluss auf Migräne, allerdings anders als in der bislang viel zitierten Form.

Energiemangel als Ursache von Migräneanfällen
Die Medizin weiß nach wie vor nicht, wie Migräne entsteht und was dabei im Detail geschieht. Dr. Göbel verweist aber auf neue Ergebnisse zu den Ursachen von Migräne. Demnach haben Menschen mit Migräne einen überdurchschnittlich hohen Energiebedarf im Gehirn, weil ihr Nervensystem Informationen besonders schnell verarbeitet. Triggerfaktor für Migräneanfälle sind demnach in der Regel nicht bestimmte Nahrungsmittel oder deren Bestandteile. Vielmehr kommt es laut aktuellem Wissensstand zu Migräneattacken, wenn dem Gehirn nicht ausreichend Energie aus der Nahrung zur Verfügung steht. Genau dieser Energiemangel aber lässt sich durch die richtige Ernährung bei Migräne vermeiden.



So beugen Sie Energiemangel im Gehirn vor
Was liefert dem Gehirn Energie? Das Gehirn braucht vor allem Kohlenhydrate, die in Form von Zucker mit dem Blut ins Gehirn gelangen. Die richtige Ernährung bei Migräne sorgt also für einen ausreichenden und möglichst konstanten Blutzuckerspiegel. Dadurch lässt sich laut Dr. Göbel „Migräneanfällen nachweislich vorbeugen oder die Häufigkeit reduzieren".


5 einfache Regeln zur Ernährunbg bei Migräne
Einen konstanten Blutzuckerspiegel herbeizuführen, ist für ansonsten gesunde Menschen vergleichsweise einfach – mit diesen 5 Regeln zur Ernährung bei Migräne:
  1. Frisch und abwechslungsreich essen (möglichst selbst kochen, industriell verarbeitete Lebensmittel sparsam verwenden)
  2. Mehr komplexe Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten, Kartoffeln, Obst und Gemüse statt aus Weißmehlprodukten oder Süßspeisen
  3. Mehrere kleine Mahlzeiten statt weniger großer
  4. Keine Mahlzeit auslassen
  5. Wenig tierische Fette und Zucker

Auf Fastenkuren und Low-Carb-Diäten verzichten
Kohlenhydratarme Ernährungskonzepte (Low-Carb-Diäten) und Fastenkuren wie das Teilzeitfasten liegen voll im Trend. Für Menschen mit Migräne sind diese Diäten nicht geeignet, weil das Gehirn aus Fetten und Eiweißen nur unzureichend Energie gewinnt.



Nocebo-Effekt bei Lebensmitteln als Migräne-Auslösern
Ungeachtet aller Forschungsergebnisse sind viele Menschen mit Migräne fest davon überzeugt, dass bestimmte Lebensmittel Migräneattacken auslösen. Warum ist das so?
Unzweifelhaft stehen Migräneattacken häufig in einem zeitlichen Zusammenhang mit besonderen Ernährungsverhaltensweisen. Typisch ist beispielsweise Heißhunger auf bestimmte Lebensmittel. Ein Beispiel: Wer am Tag zuvor Heißhunger auf Schokolade verspürte und dem nachgab, bringt den Migräneanfall am nächsten Tag mit dem Rotwein in Verbindung. Tatsächlich klingt dieser Erklärungsansatz zunächst sehr plausibel.
Bei genauer Betrachtung aber stellt sich heraus, dass es für diese Ursache-Wirkung-Kette keinen Beweis gibt. Vielmehr gibt es sogar eine ganze Reihe anderer möglicher Ursachen. Vielleicht hatte die Person mit dem Schokoladenheißhunger an jenem Tag einfach nur besonders viel Stress oder hat den Tag über wenig oder nur sehr unregelmäßig gegessen.
Stress oder Energiemangel durch einen schwankenden Blutzuckerspiegel während des Tages sind nach Überzeugung der Experten jedenfalls sehr viel wahrscheinlichere Ursachen für den Migräneanfall als das Essen der Schokolade. Nach Überzeugung der Betroffenen aber ist es die Schokolade.
Aufgrund eines überholten vermeintlichen Wissens über die Ursachen von Migräne halten nun viele Migränekranke Heißhunger für das untrügliche Anzeichen eines bevorstehenden Migräneanfalls. Da der Migräneanfall tatsächlich kommt, sehen Betroffenen ihre Annahme bestätigt - und die verfestigt sich immer weiter. So entsteht Schmerz durch eine negative Erwartungshaltung, wird sogar verstärkt. Mediziner sprechen von einem Nocebo-Effekt: Schmerzen entstehen, weil Menschen davon überzeugt sind, dass die Schmerzen auftreten werden.
Dr. Göbel hat die Wirkung des Nocebo-Effektes bei Migräne-Patienten getestet. Für seinen Versuch teilte er Probanden in 2 Gruppen auf. Beide Gruppen erhielten exakt die gleiche Schokolade in der gleichen Menge. Nur eine der beiden Gruppen erhielt die Information, die Schokolade enthalte schmerzfördernde Inhaltsstoffe. In dieser Gruppe kam es bei 30 Prozent der Probanden zu einer Kopfschmerzattacke. Die andere Gruppe aber blieb beschwerdefrei.



Sollte man bei Migräne auf bestimmte Lebensmittel verzichten?
Nicht alle Experten teilen die Überzeugung von Dr. Göbel, dass Nahrungsmittel praktisch keine Rolle als Migräneauslöser spielen. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) geht davon aus, dass Nahrungs- und Genussmittel mitunter Kopfschmerzattacken provozieren können.
In jedem Fall ist es sehr sinnvoll, nach den individuellen Migräne-Triggern zu suchen. Ein wertvolles Hilfsmittel sind Kopfschmerztagebücher wie der Kieler Kopfschmerzkalender oder das Kopfschmerztagebuchz der DMKG.
Auf keinen Fall sinnvoll ist es, bei Migräne ohne guten Grund auf eines oder mehrere Lebensmittel zu verzichten. Die DMKG verweist überdeis darauf, dass selbst als Trigger identifizierte Nahrungs- und Genussmittel nicht immer Migräneanfälle auslösen. Vielmehr sei es durchaus möglich, dass solche ernährungsbedingten Trigger nur ein „Fass zum Überlaufen“ bringen – und von der wahren Ursache der Migräneattacke ablenken.